Selfie-Kuscheln mit dem Milch-Junkie

Mika & Nico schlafendIch habe noch nie die Höhe meines Oxytocin-Spiegels messen lassen. Mir ist allerdings auch so bewusst, dass ich kuschelsüchtig bin. Zum Glück für meine Frau kann sie einen Teil dieser Last delegieren: an unsere beiden Britisch-Kurzhaar-Katzen Samu und Nelly – und natürlich an unseren Sohn. Herausforderung ist, dass Sohnemann in etwa 70% der Fälle dann doch lieber mit Mama kuscheln möchte, was ich total nachvollziehen kann. Sie piekt einfach weniger im Gesicht.* Wenn ich demnach als Papa ausreichend Kuscheltime abbekommen möchte, muss ich manchmal etwas tricksen:

  • Mein iPhone liegt nachts immer auf meinem Nachttisch (im Flugmodus!), weil ich es als Wecker benutze. Wenn Sohnemann nicht sowieso nachts aus seinem Zimmer zu uns ins Schlafzimmer gekommen ist und zwischen uns geschlafen hat, dann kommt er morgens noch schnell ins Elternbett gekrochen. Meine Frau steht dann auf, um sich zu schminken – wobei Mika immer assistieren möchte. Noch größer ist an vielen Tagen allerdings die Verlockung des Smartphones. Er liebt es, wenn ich Selfies und Videos von uns schieße, die wir dann per WhatsApp an Mama schicken. Und da Papa nicht so lange Arme hat, muss man bei so einem Selfie-Shooting natürlich möglichst eng aneinander gekuschelt liegen. Das ist einfach unvermeidlich. Jawohl!
  • Wir haben Sohnemann vergleichsweise schnell vom Schnuller entwöhnt und er hat auch ebenso früh begonnen, selbständig zu essen. Wir gönnen ihm aber auch jetzt, mit etwas über drei Jahren, noch den Luxus, jeden Tag ein Fläschchen Milch zu trinken, meist morgens vor dem Kindergarten auf der Couch, zusammen mit einer Folge „Bob der Baumeister“ oder „Shaun das Schaf“. In diesen Minuten könnte auch eine Bombe neben ihm explodieren, ohne dass er nur mit der Wimper zucken würde. Und so setze ich mich häufig neben ihn, rücke langsam näher, und lege meinen Arm um ihn. An guten Tagen kuschelt er sich dann dort ein – und der Morgen ist gerettet.
  • Ansonsten bleibt mir noch die Zeit, wenn ich ihn auf den Schultern tragen darf, zum Beispiel samstags morgens, wenn wir in die Stadt zum Bauernmarkt gehen. Sohnemann hat schnell gelernt, dass man von dort oben allerlei Schabernack anstellen kann: Papa an den Öhrchen knabbern, im Nacken kitzeln – aber auch über die Wangen streicheln. Wenn ich dann wohlig schnurre wie unser Kater, sagt er voller Stolz zu meiner Frau: „Guck mal, Papa maaaag das!“

Ja, das tue ich.

* Mittlerweile habe ich auch eine Tochter. Ich kann bisher allerdings nicht bestätigen, dass die Dame des Hauses eher das Papakind ist; das Klischee wird ja recht häufig in den Medien kolportiert. Mal schauen, was die Zukunft noch alles bringt.

Und dann weißt du, dass sich das Leben gelohnt hat

Nico_Mika_Kuscheln_BettAm 3. September 2013, einige Wochen vor Mikas erstem Geburtstag, flog ich in die USA, um ein nebenberufliches Studium an der University of Pennsylvania aufzunehmen, ein Vorgang, der sich ein Jahr lang wiederholen sollte. Ich musste jeweils drei Tage pro Monat auf dem Campus in Philadelphia verbringen und sammelte fleißig Bonusmeilen. Für den Auftakt hatten wir allerdings eine volle Arbeitswoche vor Ort zu sein, so dass ich mit Hin- und Rückflug eine ganze Woche unterwegs war. Durch meine Arbeit reise ich sowieso unentwegt, aber bis zu diesem Zeitpunkt war ich nie länger als zwei Abende am Stück nicht zuhause gewesen, seit ich Vater geworden war. Doch selbst diese kurzen Abwesenheiten konnten die Hölle sein.

Mika und ich hatten damals ein kleines Ritual:

Wenn ich abends von der Arbeit komme, wartet meine Frau mit Sohnemann im Arm an der Tür. Er sieht mich und seine Augen lassen erahnen, dass es einen Moment dauert, bis er mich erkennt. Ich zähle dann innerlich die Sekunden: Einundzwanzig…zweiundzwanzig…und dann beginnt sein Gesicht zu strahlen. Er quietscht vor Freude und reißt seine Arme hoch, um zu sagen: „Papa, nimm mich und umarme mich!“ Wild ist er in solchen Momenten. Er klatscht mit seinen Händen auf meine Wangen, tritt mir in seiner Aufregung in den Bauch, und beißt mir sanft in die Nase. Nach etwas sieben Sekunden bedeutet er mir, ihn abzusetzen. Dann wendet er seine Aufmerksamkeit dem nächsten Spielzeug in Reichweite zu.

Aus irgendeinem Grund hatte ich bei meiner Abreise in die USA große Angst, dass Sohnemann mich nach einer Woche Abwesenheit nicht mehr erkennen oder nicht mehr lieb haben würde. Gottseidank weiß ich heute, dass dieser Gedanke grober Unfug war. Dies ist tatsächlich geschehen:

Am 9. September 2013 komme ich wieder nachhause. Sohnemann ist noch im Bett nach dem Mittagsschlaf. Er hat sich an den Gittern seines Bettchens hochgezogen und steht im Halbdunkel. Ich schleiche langsam in den Raum und öffne die Jalousien ein kleines Stück, so dass sich ein wenig Sonne in den Raum schleichen kann. Dann gehe ich zu seinem Bett und schaue ihn an. Und er schaut mich an, mit diesem fragenden Blick. In meinem Kopf zähle ich wie eh und je die Sekunden. Einundzwanzig…zweiundzwanzig…dreiundzwanzig…vierundzwanzig…fünfundzwanzig…und glaube schließlich, dass es mich wirklich nicht mehr erkennt.

Doch nach einer Unendlichkeit hebt er seine Arme. Er lacht nicht, ist ganz ruhig. Ich nehme ihn hoch und er umarmt mich. Dann legt er sein schlafwarmes Köpfchen auf meiner Brust ab und lässt es dort liegen für dreißig zeitlose Sekunden. Schließlich schaut er auf, mustert mein Gesicht. Nach fünf Sekunden legt er seinen Kopf erneut ab für eine gefühlte Ewigkeit. Dann schaut er erneut zu mir auf – und sein Gesicht erstrahlt im breitesten aller Lächeln. Und er klatscht mit seinen Händen auf meine Wangen, tritt mir in seiner Aufregung in den Bauch, und beißt mir sanft in die Nase. Nach etwas sieben Sekunden bedeutet er mir, ihn abzusetzen und geht spielen.

Und ich habe ein wenig geweint.

Kuscheln mit Kater

Als Sohnemann knapp über ein Jahr alt war, haben wir uns zwei Britisch-Kurzhaar-Katzenbabys namens Samu und Nelly angeschafft. Ein Hund wäre aufgrund unseres Berufslebens nicht drin gewesen – aber die Liebe für kleinen quirligen Haarbüschel war sowieso immer etwas größer. So steht´s auch auf dem Schild an unserer Wohnungstür:

A home without a cat is just a house.

Mal abgesehen davon, dass die beiden tolle Spielkameraden sind (wenn sie denn Lust haben; das ist der Unterschied zum Hund, der will ja quasi immer), mehren sich die Anzeichen dafür, dass Kinder, die mit Haustieren aufwachsen, später im Leben weniger gesundheitliche Probleme, vor allem weniger Allergien, haben.*

Nelly, die Dame, ist von relativ zarter Statur und auch eher scheu. Kater Samu ist hingegen einer ordentlicher Brocken – und vom Wesen her ist an ihm ein waschechter Golden Retriever verloren gegangen. Er ist schmusebedürftig bis zum Abwinken und hat ein sanftes und geduldiges Gemüt. So ein Jüngling, der gerade laufend lernt, geht naturgemäß nicht immer sachte mit einem Vierbeiner um. Bisweilen legt Sohnemann sich mit seinem ganzen Körpergewicht zum Kuscheln auf den Schmusekater und bleibt dort liegen. Der Herr des Hauses lässt das gelassen über sich ergehen, scheint es sogar zu genießen.

mika_samu

Ich kenne Katzenviecher, die hätten Mikas hübsches Gesicht für so etwas in Nullkommanichts zu Carpaccio verarbeitet, aber außer einem kleinen Kratzer hat Sohnemann bisher keine Schäden davongetragen. Ich schätze, es hat geholfen, dass die beiden im Prinzip ihre Krabbelphase gemeinsam verbracht haben – da gewöhnt man sich an die Eigenarten des anderen.

Echte Männerfreundschaften beginnen ja bekanntlich im Kindesalter.


* Siehe: Wells, D. L. (2009). The Effects of Animals on Human Health and Well‐Being. Journal of Social Issues, 65(3), 523-543.

Heute ist Mamatag

Ina_Mika_MotorradSohnemann wacht morgens zwischen uns auf und kuschelt erstmal ausgiebig mit Mama. Als er zusammen mit ihr aufsteht, ums ins Bad zu gehen, ohne mich eines Blickes zu würdigen, necke ich ihn freundlich: „Sagst du mir guten Morgen?“ Er geht weiter und ruft von nebenan: „Is egal.“

Ich schmunzle. Ein wenig. Heute ist ein Mamatag. Das gibt es etwa einmal in der Woche. Auch, als ich abends von der Arbeit nachhause komme, werde ich kaum eines Blickes gewürdigt. Mit Müh und Not kann meine Frau Mika überreden, den Blick von seinem Spielzeug abzuwenden und mich zu begrüßen. Eine Umarmung, oder gar ein Willkommenskuss? Ist heute einfach nicht drin.

Ich habe mich daran gewöhnt, dass es diese Tage gibt. da beißt die Maus keinen Faden ab. Es wäre übertrieben zu sagen, dass ich an solchen Tagen nicht existiere. Aber ich bin dann einfach so überhaupt nicht wichtig. Kuscheln? Geht nur mit Mama, trösten ebenso. Desgleichen darf nur sie die letzten Nudeln von seinem Teller essen. Und wehe, es kommt der Vorschlag, ich könne ihn ja als Ausgleich ins Bett bringen. Dann ist Holland in Not – und unser Mieter oben merkt einmal mehr, wie dünn die Decke eigentlich ist.

Ich denke, solche Tage muss man als Papa einfach rausrechnen. Ich habe von befreundeten Vätern gehört, dass das „einfach so ist“. Zugegeben, es nicht immer leicht, diesen Umstand zu akzeptieren. Natürlich bin ich lieber der der Super-Papa, oder wenigstens ein halbwegs akzeptabler Spielkamerad. Ich möchte am liebsten immer eine aktive Rolle in seinem Leben spielen, zumal ich durch meine beruflichen Verpflichtungen sowieso deutlicher weniger Zeit mit ihm verbringen kann als meine Frau.

Ich habe über die Zeit gelernt, sein Verhalten an solchen Tagen nicht als Ablehnung zu definieren. An manchen Tagen ist ja auch das absolute Lieblingsspielzeug total out. Der kleine Wurm hat seine Bedürfnisse und er wird schon wissen, was ihm gut tut. Das muss ich einfach akzeptieren. Aber gefallen muss es mir nicht.

Nachtrag:

Diesen Text schrieb ich auf, als Sohnemann knapp drei Jahre alt war. Vor gut drei Wochen haben wir unser zweites Kind bekommen, eine Tochter. Ich bin schon gespannt wie ein Flitzebogen, ob wir hier vielleicht die gegenteilige Erfahrung machen werden. Befreundete Väter von Töchtern jedenfalls haben mir versichert, dass ich mich für die Zukunft wohl auf vollumfängliche Papatage freuen kann. Wobei das noch ein wenig dauert. Gegen Mamas Milch ist einfach kein Papakraut gewachsen…

Von Freuden und Tränen

Freuden_TraenenIch habe ein bisschen nah am Wasser gebaut für einen echten deutschen Mann, heule oft und gehe dafür auch nicht in den Keller. Anlässe gibt es ja genug, meistens Filme oder Musik. Gerade habe ich „Honig im Kopf“ gesehen, da musste ich weinen am Ende, als der von Dieter Hallervorden gespielte Opa Amandus an Alzheimer stirbt. Meistes kommen mir jedoch in den schönen Momenten die Tränen, zum Beispiel beim Kanon in D-Dur von Johann Pachelbel – aber höchstens jedes dritte Mal.

Seit ich Vater bin, weine ich noch mehr. Es gibt so viele Momente, die ans Herz gehen, sehr unmittelbar und stärker als vieles, was ich zuvor kannte. Das erste Mal erwischte es mich in einem völlig unpassenden Moment auf der Arbeit. Ich saß – gottseidank allein – in meinem Büro, als meine Frau mir via WhatsApp ein Ultraschallbild schickte, so etwa in der 13. Woche. Auf früheren Bildern ist ehrlich gesagt nicht so viel zu erkennen. Ich habe als Junge ab und an in einem nahe gelegenen Weiher Kaulquappen gefangen. Das geht exakt in die gleiche Richtung. Nach ein paar Wochen hat es dann was von einem Gummibärchen, nachdem es ein paar Tage in Wasser eingelegt war. Doch nun war es klar erkennbar: mein Kind.

Es sah aus, wie das, was Fox Mulder in den X-Akten in etwa jeder siebten Folge bei ganz viel Cryo-Nebel und Gegenlicht für etwa zwei Sekunden durch einen Türspalt erblicken konnte: Ein süßes kleines Alien-Baby. In dem Moment überkam es mich. Ich weinte und weinte und weinte. Betete, dass nicht ausgerechnet jetzt jemand die Tür öffnen würde, um meinen Nimbus als smarte Nachwuchsführungskraft für immer zu zerstören. Irgendwann versiegte der Strom und ich antworte meiner Frau, so wie man es tut, wenn man gerade Matsche im Hirn hat. Vermutlich war es das Daumen-Hoch-Icon. Und ein Herz.

Ein anderes Mal, etwa um dieselbe Zeit erwischte es mich spät abends, als meine Frau und ich zu Bett gingen. Ein paar Tage zuvor hatte ich aus einem Impuls heraus ein Stofftier erstanden, so ein Schnüffeltier, bei dem der Kopf halbwegs massiv ist, während der Körper praktisch nur aus dünnem Stoff besteht. Es war ein Bärchen und wir hatten ihn Gomez Pommes getauft, weil Mario Gómez in den Monaten zuvor bei der Fußball-Europameisterschaft 2012 so viele schöne Tore gemacht hatte. Wo die Pommes herkamen, weiß ich heute nicht mehr, aber ich erinnere mich, dass meine Frau in der Schwangerschaft phasenweise süchtig nach Kohlenhydraten war. So muss es gewesen sein.

Auf jeden Fall legte sie Gomez an jenem Abend spontan zwischen uns auf das Kopfkissen. Und auf einmal schossen mir wieder Sturzbäche an Tränen aus den Augen. In dem Moment hatte ich wohl zum ersten Mal verinnerlicht, dass einige Monate später ein echtes Würmchen zwischen uns liegen würde. Ich erinnere mich, dass meine Frau mich – auf sehr liebevolle Weise – ein wenig ausgelacht hat. Dann haben wir gekuschelt.