In meinem Elternhaus war´s immer blitzblanksauber. Ich glaube, meine Mutter hat es als Teil ihrer Hausfrauenehre aufgefasst, mindestens einmal am Tag feucht durchzuwischen. Ich bin also gewissermaßen mit hohen Hygienestandards aufgewachsen. Meine liebe Frau nimmt´s da nicht ganz so genau, sie pflegt einen etwas entspannteren Umgang mit Krümeln und dreckigem Geschirr. Ich musste mich also schon einmal umgewöhnen, als wir zusammengezogen sind. Doch konnte mich das in keiner Weise darauf vorbereiten, wie viel Dreck so ein Kind verursachen kann – und das buchstäblich in Sekundenbruchteilen.
Ich bin zum Beispiel zu der Überzeugung gelangt, dass Sohnemann seine Brötchen gar nicht isst, sondern eine viel sophistizierte Methode anwendet: Wenn ich Menge und Streuradius der Krümel richtig deute, scheint er die Schrippen in die Luft zu schleudern und mit einem Laserstrahl in Millionen Einzelteile zu zerbröseln. Wenn diese dann wieder von der Schwerkraft angezogen werden, schnappt er mit dem Mund alles auf, was in nächster Nähe vorbeifliegt. Alles andere wird fortan Teil der ihn umgebenden Szenerie.
Übrigens auch im Auto. Gegen die Rückbank unseres Nissans ist der Lieferwagen vom Bäcker um die Ecke ein hochsteriler Reinraum.
Des Weiteren war es eine furchtbar blöde Idee, beim unserem Einzug die Wände hoch-weiß streichen zu lassen. Es ist ja gar nicht so, dass Sohnemann die Wände aktiv anmalt (die Phase kommt vermutlich noch) – eher ist es ein wilder Mix aus verschiedenfarbigen Streifen, die entstehen, während er mit Schuhen, Spielzeugautos, Musikinstrumenten, seinem Mund, Bauklötzen, den von Tomatensauce beschmierten Händen, Lollys und der oben genannten Laserkanone daran vorbeischrappt.
Vielleicht bin ich ja einfach ein wenig überempfindlich. Ich fange zwischendurch immer an, mit dem angefeuchteten Finger die Krümel einzeln vom Boden aufzupicken, wie ein blindes Huhn. Total ineffizient und vermutlich ein bisschen eklig, so von außen betrachtet. Aber ich kann´s nicht lassen. Habe jetzt auf Amazon einen Handstaubsauger bestellt, nachdem der alte schon vor einem halben Jahr den Geist aufgegeben hat. Er hat sechs Wochen Lieferzeit.
Bis dahin werde ich weiterpicken.